Nicht erst seit auch große Modefilialen und Discounter mit Klamotten aus Bio-Baumwolle werben ist klar – nachhaltige und fair produzierte Mode ist Trend. Immer mehr Konsumenten achten beim Kauf auf den Einsatz von Chemikalien und Produktionsbedingungen vor Ort und mit der steigenden Nachfrage ist auch die Anzahl der Gütesiegel auf dem Markt gestiegen. Öko-Textilsiegel gibt es inzwischen so viele, dass niemand mehr durchblickt und die Frage nach reinen Marketingstrategien der Unternehmen ist berechtigt. Diese Unsicherheit beim Kauf bestätigt auch eine Slow-Fashion-Studie des Forschungsverbundes InNaBe, laut derer 42% der Befragten nicht wissen, welche Kleidung nachhaltig gefertigt wurde und 37% ein aufschlussreiches Siegel daher sehr hilfreich fänden. Abgesehen von der Anzahl der Labels ist auch deren Transparenz immer problematischer geworden und viele Konsumenten wissen gar nicht ob sie mit dem Kauf eines bestimmten Labels nicht doch insgeheim kritische Arbeitsbedingungen unterstützen.
Um sich einen besseren Überblick im Siegel-Dschungel zu verschaffen, ist der im April 2018 neu aufgelegte Ratgeber „Textil-Siegel im Greenpeace-Check“ sicherlich eine gute Hilfe. Aber auch wir haben uns die aktuelle Fashion Revolution Week zum Anlass genommen, um euch die wichtigsten Siegel und Zertifizierungen in Sachen Sozialstandards und fairen Arbeitsbedingungen vorzustellen. Eine noch detailliertere Bewertung, auch im Bezug auf Ökologie und Glaubwürdigkeit, könnt ihr im „Wegweiser durch das Label-Labyrinth“ von der Christlichen Initiative Romero (CIR) finden.
Der Global Organic Textile Standard (GOTS)
Der Global Organic Textile Standard ist wohl das bekannteste Öko-Textil-Siegel und ist ein weltweit anerkannter Standard für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern. Zum einen stellt er strikte umwelttechnische Anforderungen an die gesamte Produktionskette, von der Gewinnung der textilen Rohfaser, über die Herstellung bis zur Kennzeichnung der Endprodukte. Zum anderen verlangt er die Einhaltung von Sozialkriterien, wie den Schutz der Arbeiter vor giftigen Chemikalien und das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit. Wenn man die Standards noch genauer durchliest finden sich unter anderem noch Regelungen bezüglich angemessener Arbeitszeiten und sicheren und hygienischen Arbeitsbedingungen. Die genannten sozialen Kriterien sind nicht von GOTS selbst festgelegt, sondern unterstehen den Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). CIR kritisiert daher vor allem, dass GOTS keine eindeutige und verpflichtende Aussage zu existenzsichernden Löhnen trifft.
GOTS selbst ist ein freiwilliger Standard und wird nicht von einer Regierung, sondern einer gemeinnützigen Organisation mit dem Ziel der Entwicklungshilfe gesetzt. Betriebe können sich zertifizieren lassen, wenn alle Teile in der Herstellungs- und Großhandelskette lückenlos die GOTS Kriterien erfüllen. Wie bereits bei den sozialen Kriterien, legt GOTS als Textilverarbeitungsstandard keine eigenen Kriterien für den Bioanbau fest, sondern regelt die Beurteilung auf Basis des anerkannten Anbaustandard für Naturfasermaterial aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft. Textile Produkte müssen aus mindestens 95% kontrolliert biologischen Rohfasern hergestellt werden um nach GOTS zertifiziert zu werden, die restlichen 5% können aus konventionellem Anbau oder synthetischen Fasern stammen. Das kann auch von Vorteil sein, da Produkte mit Elasthan Anteil zum Beispiel sehr belastbar und formbeständig sind und der Stoff auch nach Dehnung wieder in seine ursprüngliche Form zurückspringt. Dafür reichen auch schon 2% Elasthan Anteil im fertigen Kleidungsstück.
Das Öko-Textil-Siegel ist auf jeden Fall schon ein guter Anfang, da es auf eine breitere Masse von Produkten angewendet werden kann und wichtige Grundstandards in der Produktion sichert. Das Siegel findet sich bei vielen Eco-Fashion Marken wie Knowledge Cotton Apparel, JAN ´N JUNE, VATTER, recolution, LANIUS, etc.
IVN Best
Ein deutlich strengeres Siegel ist da schon der Standard des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft (IVN). Der Standard bezieht sich ebenso wie GOTS auf den gesamten Herstellungsprozess, schließt Synthetikfasern jedoch konsequent aus und verhindert damit Mischfaserkleidung. Unternehmen die sich mit dem IVN Siegel zertifizieren möchten müssen unabhängig von der Produktion über eine „Umweltpolicy“ verfügen die Umweltstandards, wie sparsamen Umgang mit Wasser und Energie, intern im Betrieb festlegt. Bei der Herstellung achten die IVN Standards verstärkt auf die Faser, diese muss zu 100% aus Naturfaser aus kontrolliert biologischem Anbau bestehen und alle Verbote bezüglich Chemikalien sind klar mit Grenzwerten versehen. Vor allem der Anspruch an die Naturfaser ist wichtig für die Kreislauffähigkeit, da IVN zertifizierte Produkte dadurch auch 100% biologisch abbaubar sind.
Im Bezug auf die sozialen Mindestanforderungen unterstehen Firmen mit dem IVN Best Siegel ebenfalls den Kriterien der ILO: keine Zwangs- oder Sklavenarbeit, keine Kinderarbeit, Vereinigungsfreiheit mit Recht auf Tarifverhandlungen, sichere und hygienische Arbeitsbedingungen, existenzsichernde Löhne und geregelte Arbeitszeiten, etc. Was für westliche Standards selbstverständlich klingt wird in den IVN Standards genau geregelt, sodass Mitarbeiter nicht nur Zugang zu sauberen Toilettenanlagen und Trinkwasser haben, sondern auch Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt bekommen müssen. Laut Regelung müssen zudem Flucht- und Rettungspläne vorhanden und sichtbar ausgewiesen sein, und alle Arbeitnehmer regelmäßige Sicherheitsunterweisungen bekommen. Als verbesserungswürdig listet CIR noch die Aus- und Weiterbildungsangebote für Management und Arbeitnehmer, sowie die Förderung der Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen.
Der hohe Anspruch des Siegels ist wohl der Grund warum bisher nur 40 Marken und Produktionsbetriebe mit dem IVN Best zertifiziert sind. Das Siegel findet sich zum Beispiel bei Naturtextil-Spezialisten wie ENGEL SPORTS.
Fair Wear Foundation (FWF)
Die Fair Wear Foundation ist eine gemeinnützige Organisation die aus einem Zusammenschluss von unterschiedlichen Stakeholdern, darunter Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen, entstanden ist. Die Initiative setzt sich für faire und sichere Arbeitsbedingungen ein und ist in elf Ländern in Südostasien, Südosteuropa und Afrika tätig. Über 80 Unternehmen und 120 Marken sind inzwischen Teil der Organisation, darunter viele bekannte Namen wie ARMEDANGELS, Nudie Jeans, PYUA, Kings of Indigo – K.O.I., pinqponq, etc. Ökologische Standards sind durch die FWF nicht geregelt, Ziel ist es die Textilbranche Schritt für Schritt zu verbessern und für fairere Arbeitsbedingungen in den Fabriken zu sorgen. Die Organisation legt dabei einen besonderen Fokus auf Produktionsprozesse in Nähfabriken, mit der Begründung, dass dies der arbeitsintensivste Teil der Produktion ist und hier am meisten Missstände vorkommen. Unternehmen in der Fair Wear Foundation unterliegen den bereits genannten internationalen ILO Konventionen: freie Wahl der Beschäftigung, keine Diskriminierung, keine Kinderarbeit, Versammlungsfreiheit, Mindestlöhne, geregelte Arbeitszeiten und ein sicheres und sauberes Arbeitsumfeld. Eine weitere Bedingung um sich das Fair Wear Logo zu sichern ist eine mindestens 1-jährige FWF-Mitgliedschaft und eine jährliche Kategorisierung als „Leader“ innerhalb der Organisation.
Laut CIR ist die FWF ein Best-Practise-Beispiel im Bereich Textilien und zeichnet sich vor allem durch seine Glaubwürdigkeit aus.
Fairtrade
Das Fairtrade Logo ist vielen schon von Nahrungsmitteln bekannt, seit 2016 gibt es allerdings auch einen Fairtrade-Textilstandard und ein dazu passendes Textilprogramm. Das Siegel zielt vor allem darauf ab die Bedingungen für die Menschen zu verbessern, die an der Produktion von Fairtrade-zertifizierten Textilien beteiligt sind. Die erste Stufe der Produktion decken das Baumwoll-Siegel und das Baumwoll-Programm ab. Dabei steht das Fairtrade-Siegel für Rohbaumwolle, die fair angebaut und gehandelt wurde und um das Siegel verwenden zu können, muss die Baumwolle zu 100% Fairtrade-zertifiziert sein, Mischfaserkleidung ist also nicht möglich. Mit dem Fairtrade-Baumwollprogramm verpflichten sich Unternehmen zudem, einen bestimmten Anteil der für die Produktion gebrauchten Baumwolle in Fairtrade-Qualität zu beziehen.
Entlang der Lieferkette bis zum fertigen Produkt gibt es darüber hinaus den Fairtrade-Textilstandard und das Fairtrade-Textilprogramm. Der Fairtrade-Textilstandard hat das Ziel, die Bedingungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter zu stärken und ihnen bessere Löhne, gestärkte Arbeiterrechte, sichere Arbeitsbedingungen und Schulungen zu garantieren. Auch diese Vorgaben orientieren sich wieder an der ILO und werden noch mit grundlegenden ökologischen Anforderungen ergänzt. Das Fairtrade-Textilprogramm bietet zusätzliche Workshops und Trainings zu den Themen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Stärkung der Arbeitsrechte, existenzsichernden Löhnen und der Verbesserung von Effizienz und Produktivität an. Dieses Programm bereitet nicht nur alle Fabriken auf den Fairtrade-Standard vor, sondern steht auch Unternehmen offen, die bis dato noch nicht Teil des Fairtrade-Systems sind.
CIR beurteilt das Fairtrade-Siegel als anspruchsvollen Standard, allerdings gibt es noch offene Baustellen. So ist die Produktzertifizierung für Kleinbauern mit hohen Kosten verbunden und durch die Fokussierung auf den Massenmarkt werden zunehmend Produkte auch auf Plantagen angebaut. Was die Sozialstandards betrifft ist das Siegel jedoch ein Vorreiter und ergänzt die ILO-Kernarbeitsnormen mit vielen zusätzlichen Regelungen. Das Fairtrade Baumwoll-Siegel findet sich zum Beispiel in manchen T-Shirts von ARMEDANGELS, Thinking MU und DEDICATED.
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