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Die Krisenpolitik der Textildiskonter – wie Primark, Kik, C&A und Co ihre Produzenten hängen ließen. Und warum das ein Grund mehr ist, nie wieder dort zu kaufen.

28. April 2020

Text von Martina Müllner-Seybold

Was COVID-19 in der globalen Bekleidungsindustrie anrichtet, ist tatsächlich ein Fall für einen Live-Ticker. Clean Clothes Campaign hat einen solchen eingerichtet und informiert damit über die Probleme, die westliche Konsumenten häufig gar nicht auf dem Schirm haben. Nämlich die der ArbeiterInnen in Ländern wie Bangladesch, Indien oder Kambodscha, die auch mit Arbeit und ohne COVID-19 schon kaum ein Auskommen haben.

Allein in Bangladesch wurden aber wegen COVID-19, je nach Quelle, 2 bis 3 Milliarden US-Dollar an Aufträgen gecancelt. Klingt erst mal abstrakt. 3 Milliarden Dollar, das sind dreitausend Millionen Dollar oder auch 2.772.118.200 Euro. Um beim Beispiel Bangladesch zu bleiben: Dort arbeiten 84 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der Textilindustrie, 2.772.118.200 Euro an Aufträgen weniger bedeuten extrem viel Leid, Hunger und existentielle Armut.

Die harte Politik der westlichen Diskonter

Dass auch Primark, Kik und Co in der COVID-19-Krise sparen müssen, ist ein Argument, das man ja noch verstehen würde. Doch die Sparmaßnahmen betreffen nicht nur künftige Aufträge! Während zum Beispiel H&M relativ rasch zugesagt hat, alle bestehenden Aufträge abzunehmen und zu zahlen, warten die Produzenten bei anderen Firmen immer noch darauf, dass bereits fertiggestellte Ware bezahlt wird. Primark zum Beispiel hat erst nach wochenlangem internationalem Campaigning und Druck diese Zusage gemacht.

Clean_Clothes_Campaign_gloreHier ein aktueller Überblick der Firmen, die noch immer nicht bezahlt haben.
© Clean Clothes Campaign

Unter denjenigen, die ihre fertige Ware noch immer nicht bezahlt haben, sind prominente Namen zu finden: C&A zum Beispiel, übrigens im Besitz einer der reichsten Familien der Welt. Das Privatvermögen der Familie Brenninkmeijer* wird auf 25 Milliarden Euro geschätzt. 25.000.000.000 Euro. Stellen wir doch einmal zwei Zahlen direkt gegenüber:

25.000.000.000 Euro Privatvermögen der C&A Eigentümer

2.772.118.200 Euro Schätzung der gecancelten Orders in Bangladesch wegen COVID-19

 

 

Westliche Konzerne fordern in Schwellenländern „Unterstützung“

Besonders zynisch lesen sich die Briefe und E-Mails, die viele Produzenten in Bangladesch seit Beginn der Krise von ihren Kunden bekommen. Darin werden Rabatte bis zu fünfzig Prozent auf bereits fertiggestellte Ware verlangt oder künftige Aufträge davon abhängig gemacht, wie sehr die Produzenten ihre westlichen Kunden „unterstützen“ würden*.

Um sein Image in der westlichen Welt dann wieder gerade zu rücken oder der internationalen Kritik zu entgehen, inszeniert man sich dann aber gerne als Wohltäter. So hat zum Beispiel Primark verkündet, man wolle über einen Fonds die Löhne der Arbeiter bei seinen Zulieferern bezahlen. So weit, so putzig. Aber die Löhne machen 10-15 Prozent der Kosten aus, die die Zulieferer für den irischen Diskonter vorfinanzieren. Alle Rohstoffe, die für die Billigklamottenklamotten bei Primark gebraucht werden, finanziert nämlich auch der Zulieferer … (Und wie toll das mit den Fonds für die armen ArbeiterInnen funktioniert hat, hat man schon nach der Rana Plaza Katastrophe gesehen.)

Und jetzt? T-Shirts verbrennen?

So viel Hochmut, Ungerechtigkeit und Dreistigkeit machen ganz ohnmächtig, stimmts? Denn die Gretchenfrage ist ja: Was kann man selbst beitragen? Mein wichtigster Tipp ist: Erzählt anderen von diesen hässlichen Fratzen der Textildiskonter! Euren Kindern, euren Eltern, euren Arbeitskollegen, eurem Stadt- oder Landrat, Metzger, Bäcker, Pfarrer oder eurem Busfahrer. Denn das einzige, was gegen Schattenseiten hilft, ist das Licht. Und natürlich, kluge eigene Konsumentscheidungen: „Jedes Teil, das von einer unserer Marken und nicht von Primark gekauft wird, ist ein gutes Teil“, sagt zum Beispiel glore-Frankfurt Co-Inhaber Christian Hess. „Weil diesem Teil per se so viel mehr Nachhaltigkeit innewohnt als Primark je erreichen könnte.“ Word!

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Links und Quellen:

* https://de.wikipedia.org/wiki/Brenninkmeijer_(Familie)

* https://apparelinsider.com/why-factories-are-accepting-huge-discounts/ – in diesem Artikel beschreibt der nachhaltige Denimproduzent und Gründer der Messe Bangladesh Apparel Exchange Mostafiz Uddin, warum ein Produzent in Bangladesch die dreisten Rabattforderungen von westlichen Konzernen oft akzeptieren muss.

https://www.forbes.com/sites/brookerobertsislam/2020/03/30/the-true-cost-of-brands-not-paying-for-orders-during-the-covid-19-crisis/#7c508c9f5ccc – ein spannender Artikel von Brook Robert Islam über die wahren Kosten der COVID-19 Krise in Schwellenländern

Bilder:

https://qz.com/389741/the-thing-that-makes-bangladeshs-garment-industry-such-a-huge-success-also-makes-it-deadly/

Photo by Markus Spiske on Unsplash

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