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Das GOTS Label sorgt für Glaubwürdigkeit

13. September 2014

Dass ich mich das erste Mal intensiv mit dem Global Organic Textile Standard (GOTS) beschäftigt habe, ist ein paar Jahre her. Damals machte ich gerade ein Praktikum bei Naturland und war heilfroh, endlich ein Crack in der Lebensmittelzertifizierung zu sein. Und dann kam das: der Textilbereich. Viele Stunden lesen und die verschiedenen Standards vergleichen. Mühsam und eine Sache, die man sicher nicht von Kunden und Verbrauchern verlangen kann. Damit du aber trotzdem den vollen Durchblick im Siegel-Dschungel bekommst, haben wir uns auf die Suche nach Antworten gemacht. Antworten, die jeder versteht und für die du keine Verordnung lesen musst.

Das für uns wichtigste Label im Textilbereich ist der GOTS. Damit fangen wir an und haben direkt bei jemandem nachgefragt, die sich auskennt: Claudia Kersten, Marketingdirektorin und GOTS-Repräsentantin in Deutschland.

Claudia Kersten von GOTS im glore Interview

glore: Liebe Claudia, was genau ist denn eigentlich der GOTS Standard?

Claudia Kersten: Der GOTS ist der Biotextilstandard. Er ist der weltweit anerkannte Standard für die Zertifizierung der Verarbeitung von zertifizierten Biofasern über die ganze textile Kette. Vom Feld bis zum Kleiderschrank muss sich jede einzelne Verarbeitungsstufe, zum Beispiel Spinnerei, Weberei, Strickerei, Färberei, Veredelung, Konfektion und auch der Handel an strenge ökologische und soziale Kriterien halten und sich zertifizieren lassen. Das geschieht durch unabhängige, akkreditierte Zertifizierer.

glore: Und warum brauchen wir ihn?

Claudia Kersten: Kommt drauf an, aus welcher Perspektive du es siehst: Die Konsumenten haben einen Beweis, dass ein GOTS gelabeltes Produkt den Richtlinien entspricht und damit nachhaltig ist. Die Unternehmen brauchen den GOTS als Instrument, ihre Lieferkette zu managen. Wenn beispielsweise eine Näherei einen GOTS zertifizierten Stoff kauft, ist sicher, dass alle Stufen vorher auch zertifiziert sind. Das macht es für die Unternehmen einfach. Sie müssen nicht wissen, wo das Schaf von dem die Wolle kommt grast oder die Baumwolle gewachsen ist, sie müssen nur auf die letzte Stufe schauen. Das spart außerdem Kosten. Zertifikat heißt Zeugnis. Das GOTS Label sorgt für Glaubwürdigkeit. Das ist das Gegenteil von Greenwashing. In Europa ist der Biobegriff leider nicht geschützt. Jeder kann behaupten sein Bekleidungsstück sei bio, nachhaltig oder grün. In den USA ist das anders. Dort muss es GOTS oder staatlich zertifiziert sein, um sich „Bio“ nennen zur dürfen.

glore: Was sind die wichtigsten Kriterien auf die der GOTS achtet?

Claudia Kersten: Der 70%ige Mindestanteil zertifizierter Biofasern, das generelle Verbot des Einsatzes von Substanzen aus strittigen Verfahren wie Gen- oder Nanotechnologie und die Verbote von weiteren gefährlichen Substanzen, wie krebserregenden Azofarbstoffen oder Formaldehyd. Dabei geht es um Inputverbote und zusätzlich strenge Rückstandskontrolle als doppelte Sicherung. Originäres (also neu hergestelltes) Polyester und auch konventionelle Baumwolle sind ab dem GOTS 4.0 verboten. Bei den Sozialkriterien sind es neben der Einhaltung der ILO Kernarbeitsnormen, die unter anderem Kinderarbeit verbieten, Kriterien wie die Zahlung von medical imaging Mindestlöhnen oder gewerkschaftlich ausgehandelten, je nach dem welche höher sind und solchen zum verpflichtenden Einsatz eines ergänzenden Social Compliance Management Systems, das zum Beispiel ein Beschwerdemanagement enthält.

glore: Wie kann der GOTS dem Verbraucher garantieren, dass die Kriterien auch eingehalten werden und wie wird das überprüft?

Claudia Kersten: Es findet einmal pro Jahr vor Ort in jeder Betriebsstätte ein umfangreiches Audit statt. Manchmal gibt es auch unangemeldete Kontrollen. Die Kriterieneinhaltung muss von den Unternehmen dokumentiert werden, um sie für die Auditoren nachvollziehbar zu machen.

glore: Was meinst du, warum lassen sich die großen Modelabels nicht GOTS zertifizieren?

Claudia Kersten: Einige fürchten, dass es negative Folgen auf ihre Marke hat. Das kling erstmal merkwürdig, aber wenn ein Unternehmen zertifiziert ist, heißt das ja nicht, dass alle Produkte GOTS sind. Das kann daran liegen, dass es nicht möglich ist, wie bei wasserdichter Outdoorbekleidung, die wegen der benötigten Chemikalien (noch) nicht GOTS konform hergestellt werden kann. Es kann aber auch daran liegen, dass das Modelabel zunächst nur einen kleinen Teil GOTS zertifizierte Ware anbietet und die Frage fürchtet, warum nicht alles umgestellt ist. Meiner Meinung nach ist diese Sorge unberechtigt. Es sollte nur transparent und ehrlich dargestellt werden, wie das Modelabel plant, sich weiter zu verbessern. Die Verbraucher verstehen meiner Meinung nach, dass kein großes Modelabel von heute auf morgen alles umstellen kann. Einige behaupten auch, sie wollen, dass ihre Marke selbst für Nachhaltigkeit steht und möchten daher nicht GOTS labeln. Selbst wenn sie GOTS Produkte einkaufen, kommunizieren sie das GOTS Label nicht. Bei den vielen unseriösen Werbeaussagen bezweifle ich sehr, das diese Strategie besser ist, als das GOTS Logo offen am Produkt zu zeigen und damit einen Beweis zu liefern. Behaupten kann jeder viel, die Frage ist, wem was geglaubt wird.

glore: Glaubst du, dass sich die Modeindustrie in den nächsten Jahren ändert und ökologischer und sozialverträglicher produziert?

Claudia Kersten: Ja, das glaube ich. Der Druck der Konsumenten wird größer. Die Menschen wollen wissen, was sie kaufen und was sie produzieren. Auch Organisationen wie Greenpeace oder die Clean Clothes Campaign bringen die Probleme immer wieder in die Öffentlichkeit. Ebenso die Politik: Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller hat einen Runden Tisch ins Leben gerufen und möchte ein Bündnis gründen um die Bedingungen in der Textilindustrie in den Ländern des Südens zu verbessern und ich habe den Eindruck, dass er es sehr, sehr ernst meint. Wichtig ist, dass alle Verantwortung übernehmen – Unternehmen, Politik und auch die Verbraucher.

glore: Vielen Dank für dieses informative Interview liebe Claudia!

Für alle, die noch mehr wissen möchten gibt es hier noch ein Video und jetzt ab zum Shoppen mit gutem Gewissen!

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