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Sklaverei war gestern?

21. Mai 2019

Sklaverei wird oft mit skrupellosen Plantagenbesitzern, transatlantischem Sklavenhandel und der Ausbeutung von Schwarzafrikaner*innen verbunden. All das geschah in der längst vergangenen Kolonialzeit, war falsch und wäre heute undenkbar. Leider ist das nur teilweise richtig – auch heute noch werden Menschen als Eigentum gesehen. Wer sich mit den Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie auseinandersetzt, kann die durch Fast Fashion verursachten Menschenrechtsverletzungen nicht ignorieren. Die Würde der Arbeitskräfte wird hinter den Profit gestellt und das Recht auf Freiheit und Gleichheit missachtet. Besonders in den Produktionsländern werden Arbeiter*innen skrupellos ausgebeutet. Dabei entstehen viele Fragen: Wie sieht das Leben eines/r Arbeiters/in dort aus? Wieso gibt es scheinbar keine rechtlichen Möglichkeiten, um gegen diese Ausbeutung vorzugehen? Wie kann ich dazu beitragen, das Leben derer zu verbessern, die meine Kleidung herstellen? Im Folgenden wollen wir versuchen, Antworten auf diese Fragen zu geben.

Ein gewöhnlicher Tag in der Modewelt

Viel zu früh muss ich aufstehen. Es bleibt noch kurz Zeit mein Gesicht zu waschen, dann muss ich los. Die Fabriktore öffnen sich und viele meiner Freundinnen strömen mit mir hinein. Schnell haben sich die Räume gefüllt. Die Maschinen legen los. Es ist laut, viel zu heiß und der Gestank ist unerträglich. Ich bekomme kaum Luft. Zeit zum Trinken bleibt mir nicht. Nach einer Toilettenpause frage ich schon längst nicht mehr – zu viel Zeit ginge verloren und die geforderte Stückzahl würde nie erreicht werden. Ich habe Angst zu langsam zu sein oder einen Fehler zu machen. Sitzt eine Naht nicht, muss ich das komplette Teil noch einmal neu anfertigen. Die ständig umhergehenden Aufseher setzen mich zusätzlich unter Druck. Als einer davon meiner Freundin etwas ins Ohr flüstert, habe ich ein ungutes Gefühl. Als ich sie anschließend aufstehen und zur Toilette gehen sehe, ahne ich nichts Gutes. Auch dieses Mal sollte ich leider Recht behalten. Als sie zurückkommt hat sie blaue Flecken am Arm und kann nur sehr langsam gehen. Ich senke meinen Blick und nähe weiter. Es ist schon längst dunkel als das erlösende Signal ertönt und wir zum Ausgang gehen können. Ich reihe mich ein, um meinen Lohn abzuholen. Noch weniger als am Vortag. Ich frage mich, ob ich jemals meine Miete bezahlen kann. Ich will nicht aufgeben. Meine Mutter würde es mir nie verzeihen, so viel Hoffnung hat sie in mich gesetzt. Weglaufen bringt nichts, sie werden mich finden. Ich bin gefangen.

Fast Fashion verändert die Modewelt

Das passende Kleidungsstück für jeden Anlass, das zufriedene Gefühl nach einer erfolgreichen Schnäppchenjagd oder einfach Mal wieder etwas Neues: Was früher noch ein Luxusgut war, ist heute zur Massenware geworden. Die steigende Nachfrage nach billiger, ständig wechselnder Mode erhöht den Druck auf die produktionsintensive Textilindustrie. Im Jahr werden über 20 Kollektionen veröffentlicht. Eine hohe Stückzahl zu geringen Kosten ist meist nur durch die Produktionsverlagerung in Billiglohnländer möglich. Am Ende wird der Preiskampf in den Fabriken geführt, die so günstig wie möglich produzieren sollen. Um Aufträge nicht zu verlieren, geben sie dem Preisdruck nach und sagen enorm hohen Stückzahlen zu, welche die Näher*innen zunehmend an ihre psychischen und physischen Grenzen bringen. Überstunden werden verlangt, aber nicht bezahlt, weder Pausen noch Krankheitstage sind gestattet. Aus Angst wertvolle Investoren aus dem Ausland zu verlieren, gehen Regierungen nur selten gegen Verstöße ausländischer Unternehmen vor und verzichten auf Regelungen zum Arbeitnehmerschutz. Demnach sind Arbeitsrechte nicht vorhanden oder werden missachtet und Gewerkschaften werden unterdrückt. Die Forderung nach einem existenzsichernden Lohn, der die Ausgaben für Essen, Wohnen, Gesundheitsversorgung, Kleidung, Transport und Bildung deckt, wird ignoriert. In Bangladesch zum Beispiel verdient ein/e Näher*in im Schnitt $95, ein existenzsichernder Lohn läge bei $448. Proteste von Arbeiter*innen nach besseren Arbeitsbedingungen und einer existenzsichernden Bezahlung werden oft gewaltsam beendet. Um ein endloses Shopping-Erlebnis zu ermöglichen, werden Menschenrechte verletzt, Arbeiter*innen rücksichtslos ausgebeutet und Menschenleben riskiert.

Zwangsarbeit prägt die Modewelt

Als Zwangsarbeit gilt Arbeit, die gegen den freien Willen unter drohender Strafe bei Verweigerung ausgeführt wird. Besonders in arbeitsintensiven Industrien, wie der Textilindustrie, besteht die Gefahr der Zwangsarbeit. Mehr als die Hälfte der Menschen in Zwangsarbeit sind Frauen. In ärmeren ländlichen Gebieten haben sie aufgrund unzureichender Sprachkenntnisse, mangelnder Schulbildung und fehlender Gleichberechtigung nur geringe Jobchancen. Die vielversprechende Arbeit in der Modewelt ist oft ihre einzige Möglichkeit Geld zu verdienen. Dafür müssen sie ihre Familien verlassen und in die Stadt ziehen. Schnell finden sie sich in Lohnabhängigkeit und Zwangsarbeit wieder. Zwangsarbeit ist eine Form der modernen Sklaverei, die gegen die Menschenrechte verstößt und Menschen in ihrer Würde und Freiheit beraubt. Unter Androhung von Gewalt, Lohnverweigerung oder Gefährdung der Familie werden Menschen zur Arbeit gezwungen. Opfer von Zwangsarbeit werden unterdrückt und haben wenig Möglichkeiten ihre Rechte einzufordern. Mit Zwangsarbeit werden jährlich rund 150 Billiarden Dollar illegale Gewinne generiert. Das ist mehr als der Gewinn der weltweit größten vier Unternehmen zusammen. Staaten verlieren Steuereinnahmen, die nicht in Schulbildung oder Gesundheitswesen investiert werden können. Im Jahr 2016 waren über 40 Millionen Menschen Opfer moderner Sklaverei, 25 Millionen davon befanden sich in Zwangsarbeit. Das sind mehr Menschen als in Sao Paulo leben. Wir irren uns, wenn wir meinen das Zeitalter der Sklaverei überstanden zu haben – 5,4 von 1.000 Menschen sind Sklaven.

Internationale Abkommen regeln die Modewelt

Da sich die Wertschöpfungsketten internationaler Modeunternehmen über den gesamten Globus verteilen, sind sie immer schwerer zu kontrollieren. In unzähligen internationalen Abkommen haben sich Regierungen weltweit darauf geeinigt, dass jegliche Form der Sklaverei verboten sei. Also auch Zwangsarbeit. Dennoch leiden Millionen von Menschen unter ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen. Ein neues Abkommen, das “Protocol of 2014 to the Forced Labour Convention, 1930” richtet sich nun an die aktuellen Herausforderungen von Zwangsarbeit und Menschenhandel. Teilnehmende Staaten verpflichten sich gegen Zwangsarbeit vorzugehen und Opfer aus ihren sklavenähnlichen Leben zu befreien. Zwangsarbeit soll nicht nur strafbar sein, vielmehr sollen besonders gefährdete Menschen wie Frauen, Kinder und Migrant*innen davor geschützt werden. Hierbei legt das Abkommen Wert auf Aufklärung und Information von Betroffenen, Bevölkerung, Arbeitgebern und Organisationen. Daten sollen gesammelt und analysiert werden, um auf internationaler Ebene agieren und Gefährdungen schneller erkennen zu können. Opfer sollen entschädigt werden und Staaten sollen gemeinsam gegen verdächtige Arbeitgeber und Schlepper vorgehen können. Unabhängig davon, welchen rechtlichen Status eine Person in einem Land hat, soll jeder Zugang zu einem fairen Verfahren ermöglicht werden. Den Opfern sollen angemessene und wirksame Abhilfemaßnahmen gewährleistet werden. Aus Angst mittellos zu sein oder in Gefahr zu geraten schrecken viele Arbeiter*innen derzeit davor zurück, gegen ihre Ausbeuter vorzugehen. Das Abkommen würde die Stellung der Arbeiter*innen in der Modewelt stärken. Sie könnten gegen die Verursacher ihrer misslichen Lage vorgehen und ihre Rechte einfordern. Regierungen würden für die Arbeitsbedingungen Verantwortung übernehmen. Die Bedingungen in den Produktionsstätten würden sich ändern und internationale Unternehmen müssten bereit sein, für die Produktion ihrer Ware mehr zu bezahlen. Damit würde wahrscheinlich der Preis mancher Kleidung steigen, Kund*innen würden jedoch keine Sklaverei mehr finanzieren.

Euer Einfluss auf die Modewelt

Ein internationales Abkommen hat nur Wirkung, wenn viele Staaten es ratifizieren. Denn damit verpflichten sie sich zu nationalen Maßnahmen und zur internationalen Kooperation zur Vorbeugung von Zwangsarbeit sowie zum Schutz und zur Entschädigung der Opfer. Die ILO Kampagne 50forfreedom wirbt für die Ratifizierung des Protokolls von mindestens 50 Ländern bis zum Ende des Jahres. Bis jetzt haben sich gerade einmal 31 Staaten zum Kampf gegen Zwangsarbeit verpflichtet. Doch das Problem der Zwangsarbeit ist kein regionales. Um Zwangsarbeit aus der Modewelt zu eliminieren bedarf es einer starken internationalen Gemeinschaft. Sei auch Du Teil der Bewegung und fordere Deine Regierung dazu auf, das Protokoll zu ratifizieren. Steh ein für die Menschen, deren Menschenrechte übergangen werden. Ein einfacher Klick genügt, um Dich einzutragen und Millionen von Menschen zu ihrer Freiheit und Würde zu verhelfen.

 

Weitere Infos:

 

Geschrieben von Isabel Schmid

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